Geschichte des Fachbereichs Rechtswissenschaft

Eine kurze Geschichte der Erlanger Juristenfakultät


  • Christian Friedrich Glück
  • Johann Ludwig Klüber, 1797

Als die Universität Erlangen am 4. November 1743 vom damaligen Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth eröffnet wurde, gehörte die Juristische Fakultät zu den vier klassischen Gründungsfakultäten. Sie bestand anfangs aus fünf Lehrstühlen. Pro Jahr schrieben sich in den ersten Jahrzehnten im Durchschnitt etwa 35 Jurastudenten neu an der Erlanger Universität ein, womit die Juristen rund 40 % aller Studenten in Erlangen ausmachten. Man orientierte sich an den evangelischen Reformuniversitäten in Göttingen und Halle, litt aber von Anfang an unter einer unzureichenden Finanzausstattung. Unter den im 18. Jahrhundert in Erlangen lehrenden Juraprofessoren sticht Christian Friedrich Glück (1755–1831) hervor, der von 1784 an für fast ein halbes Jahrhundert in Erlangen wirkte (sein Wohnhaus steht noch heute in der Friedrichstraße 35). In seiner Amtszeit wechselte die Universität dreimal den Landesherrn: 1791 ging sie vom fränkischen Markgrafen auf Preußen über, 1806 wurde sie von Frankreich okkupiert und 1810 schließlich auf Bayern übertragen. Glück verfasste einen sehr umfangreichen Kommentar zu den römischen Pandekten, eine Art Quintessenz der Wissenschaftsepoche des Usus Modernus Pandectarum, der bis zu seinem Tod auf 34 Bände anschwoll, später noch von anderen Bearbeitern um zahlreiche weitere Bände ergänzt wurde und doch unvollendet blieb. Mit Johann Ludwig Klüber (1762–1837) lehrte damals für fast zwei Jahrzehnte (1786 bis 1804) auch ein bedeutender Staatsrechtler in Erlangen, der sich später vor allem als Herausgeber der Akten des Wiener Kongresses einen Namen machte.

 

 


  • Georg Friedrich Puchta
  • Friedrich Julius Stahl

Im 19. Jahrhundert nutzten etliche herausragende Rechtsgelehrte den Ruf auf eine Professur in Erlangen als Durchgangsstation zu einer glänzenden wissenschaftlichen Karriere, die einige von ihnen später an die Berliner Universität, der damals renommiertesten im Reich, führte. Das gilt etwa für Georg Friedrich Puchta (1798–1846), der bereits als Jurastudent 1816 nach Erlangen kam, hier auch promovierte und 1823 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde (sein Wohnhaus steht in der Heuwaagstraße 20). Hier schrieb er den ersten Band seines „Gewohnheitsrechts“, eines Schlüsselwerks der Historischen Rechtsschule des 19. Jahrhunderts, bevor er nach weiteren Zwischenstationen an anderen Universitäten schließlich Nachfolger Savignys, des Begründers der Historischen Rechtsschule, in Berlin wurde. Auch Friedrich Julius Stahl (1802–1861) verbrachte bereits einen Teil seines Jurastudiums in Erlangen und kehrte 1832 als Professor an unsere Fakultät zurück, wo er an seinem rechtsphilosophischen Hauptwerk arbeitete und die Universität Erlangen ab 1837 im bayerischen Landtag vertrat. Auch Stahl wurde 1840 an die Berliner Universität berufen und später Mitglied des preußischen Landtags, wo er mit seinem Werk „Das monarchische Prinzip“ zu einem Vordenker konservativer Kreise avancierte.

 

 

 


  • Alois Brinz

  • Carl Friedrich Wilhelm Gerber
  • Hans Liermann, 1929
  • Roderich von Stintzing
  • Emil Sehling

Alois Brinz (1820–1887) und Carl Friedrich Wilhelm Gerber (1823–1891) begannen ihre herausragenden wissenschaftlichen Karrieren ebenfalls mit einer Professur in Erlangen, wobei sich Brinz dem römischen Recht, Gerber dem deutschen Privatrecht und Staatsrecht widmete. Methodisch standen beide in der Tradition der Historischen Rechtsschule. In Erlangen entstand Gerbers für die juristische Germanistik richtungsweisendes „System des deutschen Privatrechts“, das im 19. Jahrhundert 17 Auflagen erlebte und noch im 21. Jahrhundert mehrfach nachgedruckt wurde (Gerbers damaliges Wohnhaus befindet sich in der Friedrichstraße 19). Roderich von Stintzing (1825–1883), zusammen mit seinem Schüler Ernst Landsberg der bedeutendste Historiograph der deutschen Rechtswissenschaft („Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft“), verbrachte acht Jahre als Professor in Erlangen, wo er zeitweise auch als Prokanzler und Prorektor amtierte. Der bedeutende evangelische Kirchenrechtler und Kirchenrechtshistoriker Emil Sehling (1860–1928) kam 1889 als Professor nach Erlangen und blieb hier für fast vier Jahrzehnte bis zu seinem Tode. In seinem damaligen Wohnhaus in der Hindenburgstraße 34 befindet sich heute das Hans-Liermann-Institut für Kirchenrecht, das nach Sehlings Nachfolger Hans Liermann (1893–1976) benannt ist. Liermann, der seit 1929 als Professor in Erlangen lehrte und alle späteren Rufe an andere Universitäten ablehnte, war als Kirchenrechtler und Rechtshistoriker gleichermaßen renommiert.

 

 


  • Paul Oertmann
  • Bernhard Kübler

Im frühen 20. Jahrhundert stechen unter den Zivilrechtlern Paul Oertmann (1865–1938), einer der führenden frühen BGB-Kommentatoren und Namensgeber der Lehre von der „Geschäftsgrundlage“ (von 1901 bis 1918 in Erlangen), und der Romanist Bernhard Kübler (1859–1940) hervor. Kübler, habilitierter Altphilologe und Schüler Theodor Mommsens, lehrte seit 1912 in Erlangen und widmete – ähnlich wie Glück – mehr als vier Jahrzehnte lang bis zu seinem Tode einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft einem Mammutprojekt der Romanistik, das danach von anderen fortgeführt und erst 1987 abgeschlossen wurde: das Vocabularium Iurisprudentiae Romanae.

 

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gab es an der Erlanger Juristenfakultät anders als an anderen Fakultäten der FAU und an anderen Universitäten im Reich keine Entfernungen aus dem Amt aus rassistischen oder politischen Gründen. Dies ist jedoch keiner besonders liberalen Personalpolitik geschuldet, sondern in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich schon vor 1933 unter den Erlanger Juraprofessoren niemand jüdischen Glaubens oder ein aus Sicht des neuen Regimes politisch Untragbarer befand. Vielmehr waren die damaligen Erlanger Juraprofessoren recht homogen national-konservativ gesinnt, standen der Weimarer Republik kritisch distanziert bis ablehnend gegenüber und hegten zum Teil deutliche Sympathien für ein autoritäres Regierungssystem und die untergegangene Monarchie, ohne sich aber nach 1933 aktiv für die neuen Machthaber zu engagieren.

 

 

Friedrich Lent

Beispielhaft für diese Haltung steht der renommierte Zivilprozessualist Friedrich Lent (1882–1960), Professor in Erlangen seit 1918. Lent saß in der Weimarer Republik für die Nationalliberalen und später für die republikfeindliche Deutschnationale Volkspartei (DNVP) im Bayerischen Landtag sowie 1932/33 im Deutschen Reichstag und machte in dieser Zeit in Reden und Schriften aus seiner Abneigung gegenüber dem Parlamentarismus der Weimarer Republik und seiner Sympathie für ein autoritäres Regierungssystem keinen Hehl. Nach 1933 äußerte er sich hingegen nicht mehr zu politischen Fragen und trat auch nicht der NSDAP bei. Dennoch wurde er 1947 auf Veranlassung der amerikanischen Militärregierung vorläufig aus dem Amt entfernt, im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens aber als „nicht betroffen“ eingestuft und rehabilitiert.

 

Ein besonders unrühmliches Kapitel der Universitätsgeschichte während der NS-Zeit stellen die massenhaften Aberkennungen von Doktorgraden dar, die gezielt als Instrument der Verfolgung politisch oder rassisch Missliebiger eingesetzt wurden, woran sich auch die Universitäten beteiligten. Allein an der Erlanger Juristenfakultät wurden während der NS-Zeit 102 Personen der Doktorgrad entzogen. Den meisten von ihnen war zuvor vom NS-Regime auch die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden, nachdem sie ins Ausland emigriert waren.

 

Nach Kriegsende profitierte die Erlanger Universität davon, dass ihr Gebäudestand anders als in München und Würzburg durch den Krieg kaum beschädigt worden war. So konnte sie als erste der drei damaligen bayerischen Universitäten ihren Vorlesungsbetrieb wieder aufnehmen. Bei der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs an der Juristischen Fakultät im Dezember 1945 schrieben sich 992 Studenten ein, ein neuer Höchststand in der damals bereits über zweihundertjährigen Geschichte der Fakultät. 1954 erhielt die Fakultät erstmals ein eigenständiges Seminargebäude in der Kochstraße (Juridicum), das Anfang der 1990er Jahre mit einem Erweiterungsbau in der Schillerstraße seine jetzige Gestalt annahm. Im Jahr 2022 sind an unserem Fachbereich rund 2700 Studierende eingeschrieben.


Text: Bernd Mertens, Christian Mötsch

Weiterführende Literatur: Wolfgang Frommer, Die Erlanger Juristenfakultät und das Kirchenrecht 1743–1810, 1974; Bettina Kudlich, Juraprofessoren an der Universität Erlangen in den Jahren 1933–1945, 2015; Wolfgang Leiser, Juristische Fakultät, in: Alfred Wendehorst (Hg.), Erlangen. Geschichte der Stadt in Darstellung und Bilddokumenten, 1982, S. 125–130; Hans Liermann, Die Erlanger Juristenfakultät 1743–1943, in: Deutschlands Erneuerung. Zweihundert Jahre Universität Erlangen, 1943, S. 198–207; Bernd Mertens, Die Erlanger Juristische Fakultät in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus, in: Stadtarchiv Erlangen (Hg.), Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen 1918–1945, Teil 1, 2021, S. 137–172; Bernd Mertens/Margareta Feketitsch-Weber, Die Aberkennung von Doktorgraden an der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen im Nationalsozialismus, 2010; Gottfried Schiemann, Rechtswissenschaft und Antike in Erlangen, in: Henning Kössler (Hg.), 250 Jahre Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Festschrift, 1993, S. 291–313; Renate Wittern (Hg.): Die Professoren und Dozenten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743–1960, Teil 1, 1993.

Bildquellen: Christian Friedrich Glück (Quelle: FAU Erlangen-Nürnberg, Kunstinventar 372), Johann Ludwig Klüber (Zeichnung und Radierung von Christoph Wilhelm Bock, Quelle: Bock, Sammlung von Bildnissen gelehrter Männer und Künstler, nebst kurzen Biographien derselben, 2. Band, Nürnberg 1802, S.272, digitalisiert und abrufbar unter https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb11235460), Georg Friedrich Puchta (Zeichnung und Litografie: E. Uber, Quelle: Wikimedia Commons), Friedrich Julius Stahl (Zeichnung auf Stein von G. Engelbach, Quelle: Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, Porträtsammlung: Julius Friedrich Stahl), Alois Brinz (Quelle: Einst und Jetzt, 29. Band, Jahrbuch 1984 des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, S. 181), Carl Friedrich Wilhelm Gerber (Quelle: Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Teil B, 1933, S.177), Roderich von Stintzing (Quelle: Universitätsarchiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Emil Sehling (Quelle: Wikimedia Commons), Hans Liermann, 1929 (Quelle: Universitätsarchiv FAU Erlangen-Nürnberg, UAE E 5/2 Nr.1 fol. 13,4), Paul Oertmann (Fotografie von Steffen Ferdinand entstanden in Erlangen, Quelle: Digitalisierungszentrum der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de), Bernhard Kübler (Quelle: Universitätsarchiv der FAU Erlangen-Nürnberg, Graphische Sammlung), Friedrich Lent (Quelle: Universitätsarchiv der FAU Erlangen-Nürnberg, UAE E5/2a Nr.34)